Mundart-Liebeserklärung an die Heimat
Beste Unterhaltung von Walter Renneisen mit der Sprache des Herzens
Eschbach – „Bevor ich misch uffreesch, isses mir liwer egal“.
Die Hessen sind ebenso. Pragmatisch und kurz angebunden, mit Zischlauten im Dialekt und hintersinnig, aber nicht hinterfotzig. Einer, der es genauestens weiß, ist Walter Renneisen. Der 82-jahrige Schauspieler, Hörspielleser und Mundartkenner war am Samstagabend
auf Einladung des Vereins für Eschbacher Ortsgeschichte zu Gast im Eschbacher Bürgerhaus und musste sein ganzes Können darbieten, denn am Anfang versagte die Technik ihren Dienst.
Zum Glück hat der gebürtige Maanzer Bub viele Jahre am Theater seine Brötchen verdient und kann deshalb auch schnell auf laut umstellen. Als dann die Technik wieder die Kooperation aufnahm, bekamen auch jene, die auf den hinteren Plätzen sasen, die Bonmots und Anekdoten zu Gehör, die vorher vielleicht trotz seiner Bemühungen nicht alles mitbekommen hatten.
Göttliche Mundart
Hessen – ein Bundesland inmitten der Republik. Gott schuf in sieben Tagen die Welt. Am achten Tag verteilte er die Muttersprachen und am Selbstbewusstsein mangelt es den Menschen zwischen Kassel und Rüsselsheim nicht wirklich – sagte den Hessen, sie sollten „so babbeln wie ich“. Göttliche Mundart, also. Aber das ist nicht alles. In der Grube Messel wurde einst Ida entdeckt, und obwohl die Forschung nach Renneisens Meinung hier nicht wirklich auf Zack war, stellt sie den „Missing Link“ zwischen dem Hessen, dem Affen und anderen Primaten dar. Renneisen kann nicht nur hessisch babbeln. Wobei Babbeln per se kein wirklich nett erklärter Begriff im Wörterbuch ist. Babbeln gibt es in vielen Sprachen und soll angeblich bedeuten, dass Unsinn erzählt wird. Renneisen schickt sich an, die hessische Mundart so zu präsentieren, dass jeder nach dem Abend mit stolzgeschwellter Brust wieder in die eigenen vier Wände zurückkehrt.
Dabei verlässt er sich nicht allein auf die Sprache von Goethe, Büchner und Stoltze. Nein, er unterstützt seine Mission selbst mit Meeresrauschen-trommeln, Gitarre, Ukulele und einem großen Horn, in das er stoßweise pustet.
Wenige Worte, viel Inhalt
„Hessisch ist die Sprache des Herzens“, behauptet er mit Verve und betont, wie einfach im Zwerchfell der Hesse seine Laute formt, während in anderen Dialekten vieles einfach nur unangenehm klinge. „Ich liebe dich“ sei auf preußisch kaum auszuhalten. Wie viel zärtlicher und genussvoller kommt doch ein „Isch lieeebe disch“ aus dem Hessenland.
Dennoch, manchmal muss er mit dem Idiom doch hadern. Ein Adonis von Mann babbelt eine Norddeutsche auf breitestem Hessisch an – Renneisen kennt ihn aus dem Schwimmbad – und die „scheene Fraa“ ergreift die Flucht. „Manche Männer verhüten ohne es zu wollen“, so Renneisen süffisant zum Amüsement der Besucher. Immer wieder gibt es Gelächter Salven und spontane Zuneigungsbezeugungen in Form von Applaus. Der ist ja bekanntlich die Nahrung der Menschen, die sich auf der Bühne bewegen.
Renneisen wird eifrig damit versorgt. Und lasst sein Publikum mit aberwitzigen Geschichten an seinem Alltag teilhaben. Manches, was er zu berichten hat, hat er selbst erlebt. Anderes kennt er vom Hörensagen. Witzig ist es zumeist immer. Der Oberhesse, das hat ihn seine Mutter gelehrt, ist eher wortkarg. Je näher man dem Weißwurstäquator kommt, umso geschwätziger wird man. Das liegt auch an der Landschaft, die die Hessen geprägt hat. Und während Renneisen kleine Geschichten aus Frankfurt und Offenbach zum Besten gibt, lauscht man dem Klang seiner sonoren Stimme und freut sich, dass er auch sächsisch kann oder Hochdeutsch, wie es gerade vonnöten ist. Aber das Schöne am Hessischen ist ja, dass man auch mit kurzen Statements viel sagen kann. Dazu stellt sich der Protagonist ans Keyboard und singt vom Kaktus, der verderrt, also verdorrt. Oder lässt ein Gespräch zwischen Freundinnen Revue passieren. Renneisen ist da voll und ganz in seinem Element. Das Publikum dankt es ihm begeistert.
Walter Renneisen verlässt sich bei seinen Betrachtungen über das Hessische nicht allein auf seine Stimme, sondern unterstreicht seine Ausführungen mit der Ukulele. Der Verein Eschbacher Ortsgeschichte hatte den Abend organisiert.
UA 31.10.2022 _ Jung
29. Oktober, 10:00 Uhr der Aufbau für den Heimatabend mit Walter Renneisen beginnt. Mit vereinter Kraft wird der große Saal im Bürgerhaus mit Stühlen bestückt, die Lautsprecheranlage platziert und in der Küche herrscht emsiges Treiben.
Pünktlich um 18:00 Uhr wurden die Türen des Bürgerhauses geöffnet. Bis auf ein paar einzelne Personen hatten alle bereits Eintrittskarten aus dem Vorverkauf und somit konnten die ca. 150 Gäste bequem und stresslos ihren Sitzplatz einnehmen. Um 19:00 Uhr startete dann Walter Renneisen mit seiner Darbietung. Nach etwa einer Stunde gab es eine kleine Pause von 30 Minuten. Als kleinen Snack wurden frischgebackene Brezeln und kalte Getränke den Gästen angeboten, bevor es zum zweiten Teil des unterhaltsamen Abends ging.
Gegen 21:30 Uhr war die Veranstaltung zu Ende. Mit freudigen Gesichtern verließen die Besucher das Bürgerhaus. Jetzt traten wieder die fleißigen Helfer und Helferinnen zur Tat und räumten mit vereinten Kräften den Saal, die Bibliothek sowie die Küche auf.
Fazit: Wieder einmal konnte unser Verein Eschbacher Ortsgeschichte den Besuchern für ein paar Stunden den Alltag vergessen machen und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.